Praxistipp 3

«Zu teuer» ist keine Katastrophe.

Oder: Wie Sie gut mit Einwänden umgehen.


Druck erzeugt Gegendruck. Auf einen Einwand seiner KlientInnen mit einer Rechtfertigung oder einem Gegenargument zu antworten, ist daher wenig erfolgversprechend. Viel besser ist es, Druck aus der Situation heraus zu nehmen.


Es ist nur natürlich, dass Spitex-Mitarbeitende irritiert sind, wenn sie nach bestem Wissen eine Leistung anbieten und es dann plakativ «zu teuer» heisst. Nur allzu leicht kann das dazu führen, dass sie es beim nächsten Mal nicht mehr versuchen werden. Wer stösst schon gerne auf Ablehnung?

Dabei ist ein Einwand nichts anderes als ein Stop-Schild im Strassenverkehr: Es muss noch etwas geklärt werden, erst dann geht es vorsichtig weiter.

Nehmen wir einmal an, eine Klientin beklagt sich bei der Spitex-Mitarbeiterin, dass sie ihren Haushalt nicht mehr in Ordnung halten kann. Die Spitex-Mitarbeiterin hört aufmerksam zu und findet heraus, dass es vor allem um die gelegentlichen Arbeiten geht:Fensterputzen, die Schränke herauswischen oder das Treppenhaus feucht aufnehmen. Sie sagt zur Klientin: «Wir von der Spitex können Ihnen auch jemanden von der Hauswirtschaft vorbei schicken. Da haben Sie eine Hilfe bei den Arbeiten, die Ihnen am meisten Mühe machen. Wie finden Sie das?» Die Klientin ist vom vorgebrachten Nutzenargument – punktuelle Hilfe bei schweren Arbeiten – überzeugt und fragt nach dem Preis. Auch da bekommt sie eine professionelle Antwort: «Meine Kollegin kommt zu Ihnen für CHF 52.- in der Stunde. Sie putzt genau das, was Sie selber nicht machen wollen, und Sie haben wieder tip-top Ordnung.» Daraufhin schaut sie die Klientin mit grossen Augen an und meint «Also das ist aber schon ein stolzer Preis.». STOP!

Welche sehr realistischen Reaktion könnte jetzt kommen?

«Ja, ich weiss. Tut mir leid. Ich hab’ halt gedacht, ich sag’s Ihnen. Aber ich verstehe, wenn Ihnen das zu teuer ist.» Und die Chance ist vertan! Weder wird das Bedürfnis der Klientin befriedigt, noch wird die Spitex-Mitarbeiterin eine kostenpflichtige Leistung verkaufen. Mit ihrer Entschuldigung sagt sie erstens: «Ich bin nicht ok», weil ich der Klientin etwas zugemutet habe, für das ich mich entschuldigen muss. Gleichzeitig sagt sie: «Die Spitex ist nicht ok», weil diese so viel Geld nimmt fürs Putzen. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Verkauf.

Andererseits könnte die Reaktion auch sehr gut lauten: «Aber unter CHF 52.- in der Stunde bekommen Sie nirgends eine Putzfrau, die das nicht schwarz macht.» Das ist vermutlich wahr. Trotzdem ist es die falsche Antwort. Mit dem «Aber» wird der Aussage der Klientin ein noch stärkeres Argument entgegengestellt. Die Spitex-Mitarbeiterin hat das Duell gewonnen, die Klientin fühlt sich «nicht ok» und der Deal ist ebenso verloren.

Was also braucht es, um aus dieser Situation herauszukommen?

In meinen Verkaufstrainings lasse ich die TeilnehmerInnen jetzt erklären, wie genau sie vorgehen, wenn sie mit dem Auto an ein Stop-Schild kommen. In der Regel tönt das so: «Ich halte an. Ich schaue links und rechts, ob etwas kommt. Und wenn die Strasse frei ist, fahre ich weiter.»

Genau das ist auch das Erfolgsrezept bei einem Einwand.

Ich halte inne, indem ich mir kurz Zeit zum Nachdenken gebe. Am besten funktioniert das, indem man den Einwand sinngemäss wiederholt. Das gibt einem die nötigen Augenblicke, um sich darüber klar zu werden, was man als nächstes tun will. Ausserdem gibt es meinem Gegenüber das Gefühl: «Genau das meine ich. Sie hat mich verstanden.» Das ist eine gute Voraussetzung für den weiteren Verlauf des Gesprächs. In diesem Moment ist die Bedingung «Ich bin ok – Du bist ok» erfüllt.

Nun muss ich herausfinden, was genau hinter dem Einwand steckt. Im Fall des obigen Beispiels könnten das ganz verschiedene Dinge sein:

  • Die Klientin hatte vor 20 Jahren auch schon mal eine Putzfrau. Der hat sie damals CHF 20.- in der Stunde bar auf die Hand gezahlt.
  • Die Nachbarin hat ihr erzählt, sie gebe der Schwiegertochter CHF 30.-, wenn diese putzen kommt. Das sei ein grosszügiger Lohn.
  • Die Klientin weiss von ihrer Schwester: Deren Spitex kommt für CHF 45.- in der Stunde.
  • Etc.

Diese Liste lässt sich beliebig weiterführen. Tatsache ist: Ohne, dass ich nachfrage, kann ich nicht wissen, womit die Klientin den Preis vergleicht. Ich muss also wie an einer unübersichtlichen Strassenkreuzung zuerst die Situation abklären, bevor ich weiterfahren kann.

Die Spitex-Mitarbeiterin, die sich dieser Situation bewusst ist, sagt also zum Beispiel:

«Sie finden also, CHF 52.- sind ein stolzer Preis für Fensterputzen. Was genau meinen Sie damit?»

In aller Regel wird die Klientin jetzt sagen, wie sie zu dieser Einschätzung kommt. Und abhängig von ihrer Erklärung fällt danach die Antwort der Spitex-Mitarbeiterin sehr unterschiedlich aus.

«Ja, da hatten Sie wirklich eine sehr preisgünstige Lösung damals. Zum Glück ist nie was passiert. Wir von der Spitex haben unsere Mitarbeiterinnen natürlich versichert und ganz offiziell angestellt. Da sind die Frauen sozial abgesichert und Sie gehen kein Risiko ein, wenn mal ein Unfall passiert.» Das ist ein völlig anderes Argument, als wenn sie sagt: «Wenn Ihre Schwester in einer anderen Gemeinde wohnt, ist das sehr gut möglich. Alle Spitex-Organisationen müssen ihre Tarife mit ihrer Gemeinde aushandeln. Da kommt es dann zu unterschiedlichen Stundenansätzen.»

In beiden Fällen geht die Antwort auf den Einwand genau auf die Argumente der Klientin ein. Nur so ist es möglich, der subjektiven Wahrnehmung vom «stolzen Preis» eine andere Perspektive gegenüber zu stellen. Ab hier ist es nun möglich, gemeinsam vorsichtig weiterzufahren – wie nach dem Stop-Schild.